Kapitel X
Ob schlapp und müd´ oder genesen,
zu wandern auf den langen Straßen
wurde Tom zum zweiten Wesen.
Er freut sich über jeden Rasen,
wo er machen kann `ne Pause,
zu beseh´n die Welt mit Maßen
und stärken sich mit guter Jause.
Pfeifend ein schön´s Marschlied singend,
lädt man ihn nun gar ins Hause
eines reichen Mann´s, der, schwingend
in sich selbst, behaglich lebt.
"Ach, wie lieb´ ich diese klingend^
Melodien, mein Herz erbebt;
in schöne, höhere Gefielde
mein Trachten, Sinnen, Denken strebt.
Als Vorsteher `ner großen Gilde
finde ich genügend Muße,
um auf`s Glanzlicht, das so milde ~,
ohn´ Askese, ohne Buße,
auf Himmelswelten zuzugeh´n.
Meistens nicht mit eig´nem Fuße,
- denn das selber durchzusteh´n,
da verlör´ ich jede Wette.
Aber Glücksgefühle weh´n
auch durch technische Geräte,
die mich in den Zustand heben,
zu erschein´n auf himmlisch^ Fete.
* Brauch´ nur was vom Reichtum geben,
gemütlich hier vom Zimmer aus,
schon kann ich die Freud´ erleben,
einen überird´schen Schmaus.
* Kannst es ja mal selbst probieren,
- * will Dir setzen keine Flaus´;
wonniglich kannst Du spazieren
in die höchsten Eb´nen h´nauf.
Und das wird Dich int´ressieren:
alles nahm so seinen Lauf,
weil das Beste wollt´ ich finden
aus den riesengroßen Hauf^,
die sich hin zum Himmel winden.
* Hab´ gar manches mal versucht,
- nimmer will ich mich mehr schinden;
diese allzuschwere Zucht:
* konnte keine Freud´ gewinnen,
* hab´ die Wege all´ verflucht.
Sollt´ ich hundert Jahr´ d´rauf sinnen,
was der Buddha wirklich ist?
Oder ständig nur zu dienen,
bis wer meine Hand auffrißt?
Ständig nur den ander´n helfen,
bis man selbst sich ganz vergißt?
Wir sind unter lauter Wölfen,
die Dir nehmen Stück für Stück;
es beschränkt sich nicht auf zwölfen,
abertausend woll´n Dein Glück.
Darum ich selbst die Menschen such´,
dann in deren Hand ich drück´
gute Gab´ aus meinem Tuch.
Bequem in meinem Sessel sitzend
kann ich füllen nun mein Buch,
- ohn´ am ganzen Körper schwitzend -,
das verzeichnet geistig´ Wonn´.
Kleinigkeiten viel verspritzend
geh´ ich ein in eine Sonn´,
schöngewebt von einem Garn,
das ich selber hab´ gesponn^.
Mein Ziel ist es, mich selbst zu schar´n
mit den Heil´gen aller Zeit;
und auch freudvoll mich zu paar´n
mit Engeln oder Wesenheiten,
die im Reiche Gottes schweben.
So bewirk´ ich seelisch´ Weiten,
kann´s nicht Schöneres hier geben?"
Verzückt, verträumt die Augen scheinen,
den Blick zur Innenwelt sie heben;
vergessen haben sie das Weinen;
* blicken nur noch auf das Meer,
in welchem Gott wohnt und die Seinen.
"Dein trachtend^ Sein in aller Ehr´,
ich hoff´, Du wirst mir das verzeih´n:
vor Deiner Tür den Schmutz ich kehr´.
Du bist am Weg? - Es ist nur Schein;
die Trägheit hält Dich gar zu fest.
Du blickst zuviel auf Dein Gebein;
'Nicht bestanden' steht im Test.
Wohl hast * Dir groß´ Verdienst erworben,
daß Du führst `ne reine West´;
doch der Weg ist Dir verdorben
durch das Ziel, das ständig leuchtet.
Wär´ der Blick dorthin gestorben,
und wenn Ihr den Trug verscheuchtet,
- Ihr, die * so bequem verharrt -,
daß Ihr äuß´re Mittel bräuchtet, -
* wärt dann nicht so sehr erstarrt,
daß Almos^ geben alles sei,
und dadurch ins Selbst vernarrt.
Im Gegenteil: es hängt wie Blei
an Euren allzumüden Gliedern,
wenn Ihr´s gebt mit einem Schrei
nach wunderschönen himmlisch^ Liedern.
Wohl habt * den ersten Schritt getan,
von Oben wird man ihn erwidern;
doch steiler geht der Weg bergan.
Nur mit großer inn´rer Stärke
kommt der Wandersmann voran,
* geht ohne Vorstellung zu Werke,
wie das Ende ausseh´n kann.
* Macht sich nur ein paar Vermerke,
wo er fürchtet einen Bann;
* weiß, ² das Ziel schon auf ihn wartet,
* fragt nicht 'was' und auch nicht 'wann'.
Wenn Ihr Euren Mist wegkarrtet,
der den Körper macht so träg´;
wenn Ihr dann den Pfad aufscharrtet,
- ` unsichtbar ohn´ jede Pfleg´ ~ -,
damit der Fuß auch paßt ins Filz,
welches überwächst den Weg,
dann erst fändet Ihr den Pilz,
der zu sel´gem Leben führt.
Gleichklang zwischen Hirn und Milz
hast Du bisher nur gespürt;
* hast die Spur, die vor Dir liegt,
mit den Zehen nur berührt.
Wenn auch sehr viel Zeit verfliegt,
bis die ersten Schritt´ Du wagst,
solang Bequemheit in Dir siegt,
Du kein Wesen überragst.
Du hast g´rad´ einen schweren Stand,
- auch wenn Du das nicht hören magst -,
denn balanzierend nah beim Rand,
wo Dunkelheit das Licht verschlingt,
brauchst Du eine weisend´ Hand,
damit der Weitergang gelingt:
behaglich sich zurückzulehnen -
nur die Stumpfheit in Dich bringt;
sich im Engelreich zu wähnen, -
Stillstand in Dir selbst verursacht;
die Augen bis zum Ziel ausz´dehnen, -
blind für`n weiter´n Weg Dich macht.
Schau nicht immer auf Dein´n Lohn
und betritt den Pfad ganz sacht.
Nur so wirst Du zum Gottessohn,
der in Herzen kann dann lesen."
Nach dieser Red´ die Schatten floh´n.
