Als Eulenspiegel wieder nach Braunschweig in die Bäckerherberge kam, wohnte nahe dabei ein Bäcker. Der rief ihn in sein Haus und fragte ihn, was er für ein Geselle sei. Er sprach: "Ich bin ein Bäckergeselle." Der Brotbäcker sagte: "Ich habe eben keinen Gesellen. Willst du mir dienen?" Eulenspiegel sagte: "Ja."
Als er nun zwei Tage bei ihm gewesen war, hieß ihn der Bäcker, am Abend zu backen, denn er konnte ihm bis zum Morgen nicht helfen. Eulenspiegel sprach: "Ja, was soll ich denn backen?" Der Bäcker war ein leicht erregbarer Mann, er wurde zornig und sagte im Spott: "Bist du ein Bäckergeselle und fragst erst, was du backen sollst? Was pflegt man denn zu backen? Eulen oder Meerkatzen!" Und damit legte er sich schlafen.
Da ging Eulenspiegel in die Backstube und machte aus dem Teig nichts als Eulen und Meerkatzen, die ganze Backstube voll, und backte sie.
Der Meister stand des Morgens auf und wollte ihm helfen. Doch als er in die Backstube kam, fand er weder Wecken noch Semmeln, sondern lauter Eulen und Meerkatzen. Da wurde der Meister zornig und sprach: "Daß dich das jähe Fieber packe! Was hast du da gebacken?" Eulenspiegel sagte: "Was Ihr mich geheißen habt, Eulen und Meerkatzen." Der Bäcker sprach: "Was soll ich nun mit dem Narrenzeug tun? Solches Brot ist mir zu nichts nütze. Ich kann das nicht zu Geld machen." Und er ergriff Eulenspiegel beim Hals und sagte: "Bezahl mir meinen Teig!" Eulenspiegel sprach: "Ja, wenn ich Euch den Teig bezahle, soll dann die Ware mein sein, die davon gebacken ist?" Der Meister sagte: "Was frage ich nach solcher Ware! Eulen und Meerkatzen kann ich nicht gebrauchen in meinem Laden."
Also bezahlte Eulenspiegel dem Bäcker seinen Teig, packte die gebackenen Eulen und Meerkatzen in einen Korb und trug sie aus dem Haus in die Herberge "Zum Wilden Mann". Und Eulenspiegel dachte bei sich selbst: Du hast oft gehört, man könnte keine so seltsamen Dinge nach Braunschweig bringen, daß man nicht Geld daraus löste. Und es war am Vortage des Sankt-Nikolaus-Abends. Da stellte sich Eulenspiegel mit seiner Ware vor die Kirche, verkaufte alle Eulen und Meerkatzen und löste viel mehr Geld daraus, als er dem Bäcker für den Teig gegeben hatte.
Das wurde dem Bäcker kundgetan. Den verdroß das sehr, und er lief vor die Sankt-Nikolaus-Kirche und wollte von Eulenspiegel auch die Kosten für das Holz und für das Backen verlangen. Aber da war Eulenspiegel gerade hinweg mit seinem Geld, und der Bäcker hatte das Nachsehen.
Eulenspiegel wanderte im Land umher, kam in das Dorf Uelzen und wurde dort wieder ein Bäckergeselle. Als er nun im Hause eines Meisters war, da richtete der Meister alles her, um zu backen. Eulenspiegel sollte das Mehl in der Nacht beuteln, damit es am Morgen früh fertig wäre. Eulenspiegel sprach: "Meister, Ihr solltet mir ein Licht geben, damit ich beim Beuteln sehen kann." Der Bäcker sagte zu ihm: "Ich gebe dir kein Licht. Ich habe meinen Gesellen zu dieser Zeit nie ein Licht gegeben. Sie mußten im Mondschein beuteln; also mußt du es auch tun." Eulenspiegel sprach: "Haben sie bei Mondschein gebeutelt, so will ich es auch tun." Der Meister ging zu Bett und wollte ein paar Stunden schlafen.
Derweilen nahm Eulenspiegel den Beutel, hielt ihn zum Fenster hinaus und siebte das Mehl in den Hof, wohin der Mond schien, immer dem Scheine nach. Als der Bäcker des Morgens früh aufstand und backen wollte, stand Eulenspiegel immer noch da und beutelte. Da sah der Bäcker, daß Eulenspiegel das Mehl in den Hof siebte, der vom Mehl auf der Erde ganz weiß war. Da sprach der Meister: "Was, zum Teufel, machst du hier? Hat das Mehl nicht mehr gekostet, als daß du es in den Dreck beutelst?" Eulenspiegel antwortete: "Habt Ihr es mich nicht geheißen, in dem Mondschein zu sieben ohne Licht? Also habe ich getan." Der Brotbäcker sprach: "Ich hieß dich, du solltest beuteln bei dem Mondschein." Eulenspiegel sagte: "Wohlan, Meister, seid nur zufrieden, es ist beides geschehen: in und bei dem Mondschein. Und da ist auch nicht mehr verloren als eine Handvoll. Ich will das bald wieder aufraffen, das schadet dem Mehl nur ganz wenig." Der Brotbäcker sprach: "Während du das Mehl aufraffst, kann man keinen Teig machen. So wird es zu spät zum Backen." Eulenspiegel sagte: "Mein Meister, ich weiß guten Rat. Wir werden so schnell backen wie unser Nachbar. Sein Teig liegt im Backtrog. Wollt Ihr den haben, so will ich ihn sogleich holen und unser Mehl an dieselbe Stelle tragen."
Der Meister wurde zornig und sprach: "Du wirst den Teufel holen! Geh an den Galgen, du Schalk, und hole den Dieb herein, aber laß mir des Nachbarn Teig liegen!" "Ja", sprach Eulenspiegel und ging aus dem Haus an den Galgen. Da lag der Leichnam von einem Diebe, der war herabgefallen. Er nahm ihn auf die Schulter, trug ihn in seines Meisters Haus und sagte: "Hier bringe ich, was am Galgen lag. Wozu wollt Ihr das haben? Ich wüßte nicht, wozu es gut wäre." Der Bäcker sprach: "Bringst du sonst nichts mehr?" Eulenspiegel antwortete: "Wäre mehr dagewesen, hätte ich Euch mehr gebracht. Aber es war nicht mehr da." Der Bäcker wurde böse und sprach voller Zorn: "Du hast das Gericht des Rats bestohlen und seinen Galgen beraubt. Ich werde das vor den Bürgermeister bringen, das sollst du sehen!" Und der Bäcker ging aus dem Hause auf den Markt, und Eulenspiegel ging ihm nach. Der Bäcker hatte es so eilig, daß er sich nicht umsah und auch nicht wußte, daß Eulenspiegel ihm nachging. Der Bürgermeister stand auf dem Markt. Da ging der Bäcker zu ihm und fing an, sich zu beschweren. Eulenspiegel war behende: sobald sein Meister, der Bäcker, anfing zu reden, stand Eulenspiegel dicht neben ihm und riß seine beiden Augen weit auf. Als der Bäcker Eulenspiegel sah, wurde er so wütend, daß er vergaß, worüber er sich beklagen wollte, und sprach ergrimmt zu Eulenspiegel: "Was willst du?" Eulenspiegel antwortete: "Ich will nur Eure Worte erfüllen: Ihr sagtet, ich sollte sehen, daß Ihr mich vor dem Bürgermeister verklagen würdet. Wenn ich das nun sehen soll, so muß ich die Augen nahe heranbringen, damit ich es auch sehen kann." Der Bäcker sprach zu ihm: "Geh mir aus den Augen, du bist ein Schalk!" Eulenspiegel sagte: "So wurde ich schon oft genannt. Aber säße ich Euch in den Augen, so müßte ich Euch aus den Nasenlöchern kriechen,
wenn Ihr die Augen zumacht."
Da ging der Bürgermeister von ihnen fort und ließ sie beide stehen. Denn er hörte wohl, daß es alles Torheit war. Als Eulenspiegel das sah, lief er zurück und sprach: "Meister, wann wollen wir backen? Die Sonne scheint nicht mehr." Und er ging hinweg und ließ den Bäcker stehn.
Eine listige Schalkheit tat Eulenspiegel in Wismar an der See einem Pferdekaufmann an. Denn dahin kam allezeit ein Pferdehändler, der kaufte kein Pferd, ohne daß er darum feilschte und dann das Pferd beim Schwanz zog. Das tat er auch bei den Pferden, die er nicht kaufte. Beim Ziehen wollte er merken, ob das Roß lange leben würde, und er merkte es angeblich daran: stand dem Pferd das lange Haar locker im Schweif, so kaufte er es nicht, weil er glaubte, daß es nicht lange leben würde; stand dem Pferd aber das Haar fest im Schwanz, so kaufte er es, denn er hatte den gewissen Glauben, daß es lange leben und von harter Natur sein würde. Dies war in der ganzen Stadt Wismar allgemeine Meinung, so daß sich jedermann danach richtete.
Das bekam Eulenspiegel zu wissen, und er dachte: dem mußt du eine Schalkheit tun, sei es, was es wolle, damit der Irrtum aus dem Volk kommt. Nun verstand Eulenspiegel ein wenig von der schwarzen Kunst. Er nahm ein Pferd und richtete es mit der schwarzen Kunst so her, wie er es haben wollte. Damit zog er zu Markte und bot das Pferd den Leuten teuer an, damit sie es ihm nicht abkauften. Das tat er so lange, bis der Kaufinann kam, der die Pferde beim Schwanz zog. Dem bot er das Pferd billig an. Der Kaufmann sah wohl, daß das Pferd schön und das Geld wert war, und er ging hinzu und wollte es fest am Schwanz ziehen. Aber Eulenspiegel hatte das so hergerichtet: sobald der Kaufmann das Roß am Schweif zog, behielt er ihn in der Hand; das sah dann so aus, als ob er dem Pferd den Schwanz ausgezogen habe. Der Pferdehändler stand und wurde kleinlaut, aber Eulenspiegel rief: "Schande über diesen Bösewicht! Seht, liebe Bürger, wie er mir mein Pferd verunstaltet und verdorben hat!" Die Bürger kamen hinzu und sahen, daß der Kaufmann den Pferdeschweif in der Hand hatte. Das Pferd hatte keinen Schwanz mehr, und der Kaufmann fürchtete sich sehr.
Da mischten sich die Bürger ein und erreichten, daß der Pferdehändler Eulenspiegel zehn Gulden gab und dieser sein Pferd behielt. Und Eulenspiegel zog mit seinem Roß hinweg und setzte ihm den Schweif wieder an.
Der Kaufmann aber zog von dieser Zeit an kein Pferd mehr beim Schwanze.
In Lüneburg wohnte ein Pfeifendreher, der ein Landfahrer gewesen und mit dem Zauberstab umhergezogen war. Er saß beim Bier mit zahlreicher Gesellschaft, als Eulenspiegel zu dem Gelage kam.
Da lud der Pfeifendreher Eulenspiegel zu Gast in der Absicht, ihn zum besten zu haben, und sagte zu ihm: "Komm morgen zu Mittag und iß mit mir, wenn du kannst!" Eulenspiegel sagte ja und dachte sich nichts bei dem Wort. Er kam am andern Tage und wollte als Gast zu dem Pfeifenmacher gehen. Als er vor die Tür kam, war sie oben und unten zugesperrt, und auch alle Fenster waren geschlossen. Eulenspiegel ging vor der Tür zwei- oder dreimal hin und her, so lange, bis es Nachmittag wurde, aber das Haus blieb zu. Da merkte er wohl, daß er betrogen worden war. Er ließ die Sache auf sich beruhen und schwieg still bis zum nächsten Tag.
Da kam Eulenspiegel zu dem Pfeifendreher auf den Markt und sprach zu ihm: "Seht, lieber Mann, wenn Ihr Gäste ladet, pflegt Ihr dann selber auszugehen und die Tür oben und unten zu schließen?" Der Pfeifenmacher sprach: "Hörtest du nicht, wie ich dich bat? Ich sagte: komm morgen zu Mittag und iß mit mir, wenn du kannst! Nun fandest du die Tür zugesperrt, da konntest du nicht hineinkommen." Eulenspiegel sagte: "Habt Dank dafür, das wußte ich noch nicht, ich lerne noch alle Tage."
Der Pfeifenmacher lachte und sprach: "Ich will es mit dir nicht übertreiben. Geh nun hin, meine Tür steht offen! Du findest Gesottenes und Gebratenes beim Feuer. Geh schon vor, ich komme dir nach! Du sollst allein sein, ich will keinen Gast außer dir haben."
Eulenspiegel dachte: Das wird gut. Und er ging schnell zu des Pfeifenmachers Haus und fand es so, wie dieser ihm gesagt hatte. Die Magd wendete den Braten, und die Frau ging umher und richtete an. Als Eulenspiegel ins Haus kam, sagte er zu der Frau, sie solle eilends mit ihrer Magd zu ihrem Mann kommen. Dem sei ein großer Fisch geschenkt worden, ein Stör, den sollten sie ihm heimtragen helfen. Er wolle solange den Braten wenden. Die Frau sagte: "Ja, lieber Eulenspiegel, tut das, ich will mit der Magd gehen und schnell wiederkommen." Eulenspiegel sprach: "Geht nur rasch!"
Die Frau und die Magd eilten zum Markt. Der Pfeifendreher traf sie unterwegs und fragte sie, was sie zu laufen hätten. Sie sprachen, Eulenspiegel sei in das Haus gekommen und habe gesagt, dem Hausherrn sei ein großer Stör geschenkt worden, den sollten sie heimtragen helfen. Der Pfeifenmacher wurde zornig und sprach zu der Frau: "Konntest du nicht im Hause bleiben? Er hat das nicht umsonst getan, dahinter steckt eine Schalkheit."
Inzwischen hatte Eulenspiegel das Haus oben und unten zugeschlossen, ebenso alle Fenster. Als der Pfeifendreher mit seiner Frau und der Magd vor das Haus kamen, fanden sie die Türe zu. Da sprach er zu seiner Frau: "Nun siehst du wohl, was für einen Stör du holen solltest!" Und sie klopften an die Tür. Eulenspiegel ging an die Tür und sagte: "Lasset Euer Klopfen, ich lasse niemanden ein! Der Hausherr hat mir befohlen und zugesagt, ich solle allein hierinnen sein, er wolle keinen andern Gast haben als mich. Geht nur weg und kommt nach dem Essen wieder!" Der Pfeifenmacher sprach: "Das ist wahr, ich sagte es, aber ich meinte es nicht so. Nun laßt ihn essen, ich will es ihm mit einer anderen Schalkheit vergelten." Und er ging mit der Frau und der Magd in das Haus des Nachbarn und wartete so lange, bis Eulenspiegel fertig war.
Eulenspiegel kochte das Essen gar, setzte es auf den Tisch, aß kräftig und füllte sich wieder nach, solange es ihm gut dünkte. Dann machte er die Tür auf und ließ sie offen stehen. Der Pfeifendreher kam mit seiner Frau und seiner Magd und sprach: "Das pflegen keine redlichen Leute zu tun, daß ein Gast vor dem Wirt die Tür abschließt, der ihn eingeladen hat." Da sagte Eulenspiegel: "Sollte ich das zu zweit tun, was ich allein machen sollte? Würde ich allein zu Gast gebeten und brächte ich dann noch mehr Gäste mit, das würde dem Hauswirt nicht gefallen." Mit diesen Worten ging er aus dem Haus. Der Pfeifenmacher sah ihm nach: "Nun, ich zahle es dir wieder heim, wie schalkhaftig du auch bist." Eulenspiegel sprach: "Wer es am besten kann, der sei der Meister."
Da ging der Pfeifendreher alsbald zum Abdecker und sagte, in der Herberge sei ein redlicher Mann, der heiße Eulenspiegel. Dem sei ein Pferd gestorben, das solle er abholen; und er zeigte ihm das Haus. Der Abdecker sah, daß es der ihm bekannte Pfeifenmacher war, und er sagte ja, er wolle das tun. Er fuhr mit dem Schinderkarren vor die Herberge, die ihm der Pfeifendreher gezeigt hatte, und fragte nach Eulenspiegel. Dieser kam vor die Tür und fragte, was er wolle. Der Abdecker antwortete, der Pfeifenmacher sei bei ihm gewesen und habe ihm gesagt, daß Eulenspiegel ein Pferd gestorben sei; das solle er abholen. Und ob er Eulenspiegel heiße und ob sich das also verhalte?
Eulenspiegel kehrte sich um, zog seine Hosen herunter und riß den Arsch auf: "Sieh her und sag dem Pfeifendreher: wenn Eulenspiegel nicht in dieser Gasse sitzt, so weiß ich nicht, in welcher Straße er sonst ist." Der Abdecker wurde zornig, fluchte und fuhr mit dem Schinderkarren vor des Pfeifenmachers Haus. Da ließ er den Karren stehn und verklagte ihn vor dem Rat, so daß der Pfeifendreher dem Abdecker zehn Gulden geben mußte.
Eulenspiegel aber sattelte sein Pferd und ritt aus der Stadt.
Vor alten Zeiten wohnte zu Gerdau im Lande Lüneburg ein Paar alter Leute, die an die 50 Jahre im ehelichen Stand miteinander gelebt hatten. Sie hatten schon große Kinder, die versorgt und verheiratet waren. Nun war dort zu der Zeit auf der Pfarrstelle ein ganz schlauer Pfaffe, der allzeit gern dabei war, wo man praßte und schlemmte. Dieser Pfaffe machte es mit seinen Pfarrkindern so: wenigstens einmal im Jahr mußte ihn jeder Bauer zu Gast haben und ihn samt seiner Magd einen Tag oder zwei verpflegen und aufs beste bewirten.
Nun hatten die zwei alten Leute viele Jahre lang keine Kirchweih, Kindtaufe oder eine sonstige Gasterei abgehalten, auf der der Pfaffe schlemmen konnte. Das verdroß ihn, und er dachte darüber nach, wie er den Bauern dazu brächte, daß er ihm eine Einladung schicke. Er sandte ihm einen Boten und ließ ihn fragen, wie lange er mit seiner Frau im ehelichen Stande gelebt habe. Der Bauer antwortete dem Pfarrer: "Lieber Herr Pfarrer, das ist so lange, daß ich es vergessen habe." Darauf antwortete der Pfarrer: "Das ist ein gefährlicher Zustand für euer Seelenheil. Wenn ihr 50 Jahre beieinander gewesen seid, so ist das Ehegelöbnis erloschen, wie das Gelübde eines Mönches in einem Kloster. Besprich das mit deiner Frau, komm dann zu mir und berichte mir über die Dinge, damit ich euch raten helfe zu eurer Seelen Seligkeit, wozu ich euch und allen meinen Pfarrkindern verpflichtet bin."
Der Bauer tat dies und überlegte das mit seiner Frau, aber er konnte doch dem Pfarrer nicht genau die Zahl der Jahre ihres ehelichen Standes anzeigen. Sie kamen beide in großer Sorge zum Pfarrer, damit er ihnen in ihrer unwürdigen Lage einen guten Rat gäbe. Der Pfarrer sagte: "Da ihr keine genaue Zahl wißt, so will ich euch aus Sorge um eure Seelen am nächsten Sonntag aufs neue zusammengeben, damit ihr, falls ihr nicht mehr im ehelichen Stande seid, wieder hineinkommt. Und deshalb schlachtet einen guten Ochsen, ein Schaf und ein Schwein, bitte deine Kinder und guten Freunde zu deinem Mahl und bewirte sie gut; ich will dann auch bei dir sein." "Ach ja, lieber Pfarrer, tut also! Es soll mir an einem Schock Hühner nicht liegen. Sollten wir so lange ehelich beieinander gewesen sein und jetzt außerhalb des ehelichen Standes leben, das wäre nicht gut."
Damit ging der Bauer nach Hause und begann mit den Vorbereitungen. Der Pfarrer lud zu dem Fest etliche Prälaten und Pfaffen ein, mit denen er bekannt war. Unter ihnen war auch der Probst von Ebstorf, der allezeit ein gutes Pferd oder sogar zwei Pferde hatte und auch gerne beim Essen dabei war. Bei dem war Eulenspiegel eine Zeitlang gewesen, und der Probst sprach zu ihm: "Steige auf meinen jungen Hengst und reite mit, du sollst willkommen sein!" Das tat Eulenspiegel. Als sie ankamen, aßen und tranken sie und waren fröhlich. Die alte Frau, die die Braut sein sollte, saß oben am Tisch, wo die Bräute zu sitzen pflegen. Als sie müde und abgespannt wurde, ließ man sie hinaus. Sie ging hinter ihren Hof an das Flüßchen Gerdau und setzte ihre Füße in das Wasser.
Währenddessen ritten der Probst und Eulenspiegel heim nach Ebstorf. Da machte Eulenspiegel auf dem jungen Hengst der "Braut" mit schönen Sprüngen den Hof und trieb das so lange, daß ihm seine Tasche und sein Gürtel, die man zu dieser Zeit zu tragen pflegte, von der Seite fielen. Als das die gute alte Frau sah, stand sie auf, nahm die Tasche, ging wieder zum Wasser und setzte sich auf die Tasche. Als Eulenspiegel eine Ackerlänge weitergeritten war, vermißte er seine Tasche. Er ritt kurzerhand wieder nach Gerdau und fragte die gute alte Bäuerin, ob sie nicht eine alte, rauhe Tasche gesehen oder gefunden habe. Die alte Frau sprach: "Ja, Freund, bei meiner Hochzeit bekam ich eine rauhe Tasche, die habe ich noch und sitze darauf. Ist es die?" "Oho, das ist lange her, daß du eine Braut warst", sprach Eulenspiegel. "Das muß jetzt notwendigerweise eine alte, rostige Tasche sein. Ich begehre deine alte Tasche nicht."
Und so schalkhaft und listig Eulenspiegel sonst war, so wurde er dennoch von der alten Bäuerin genarrt und büßte seine Tasche ein.
Dieselben rauhen Brauttaschen haben die Frauen in Gerdau heute noch. Ich glaube, daß dort die alten Witwen sie in Verwahrung haben. Wem etwas daran liegt, der mag dort danach fragen.
Gesottenes und Gebratenes wollte Eulenspiegel allezeit essen, darum mußte er sehen, woher er das nahm. Einmal kam er auf den Jahrmarkt nach Uelzen, wohin auch viele Wenden und anderes Landvolk kamen. Da ging er hin und her und sah sich überall danach um, was dort zu tun oder zu schaffen sei. Unter anderem sah er, daß ein Landmann ein grünes Londoner Tuch kaufte und damit nach Hause wollte. Da überlegte Eulenspiegel, wie er den Bauern um das Tuch betrügen könne, und fragte nach dem Dorf, wo der Bauer daheim war. Und er nahm einen Schottenpfaffen und einen anderen losen Gesellen mit sich und ging mit ihnen aus der Stadt auf den Weg, den der Bauer entlang kommen mußte. Eulenspiegel machte einen Plan, was sie tun sollten, wenn der Bauer mit dem grünen Tuch käme, das blau sein sollte. Einer sollte immer eine halbe Ackerlänge Weges von dem anderen entfernt stadtwärts gehen.
Als der Bauer mit dem Tuch aus der Stadt kam und es heimtragen wollte, sprach ihn Eulenspiegel an, wo er das schöne, blaue Tuch gekauft habe. Der Bauer antwortete, es sei grün und nicht blau. Eulenspiegel sagte, das Tuch sei blau, darauf wolle er 20 Gulden setzen. Der nächste Mensch, der des Weges käme und der grün und blau unterscheiden könne, solle ihnen das sagen, damit sie sich einig werden könnten.
Dann gab Eulenspiegel dem ersten seiner Gesellen ein Zeichen zu kommen. Zu dem sprach der Bauer: "Freund, wir zwei sind uneinig über die Farbe dieses Tuches. Sag die Wahrheit, ob dies grün oder blau ist. Was du sagst, dabei wollen wir es bewenden lassen." Da sagte der: "Das ist ein recht schönes, blaues Tuch." Der Bauer sprach: "Nein, ihr seid zwei Schälke. Ihr habt es vielleicht miteinander darauf angelegt, mich zu betrügen." Da sagte Eulenspiegel: "Wohlan, damit du siehst, daß ich recht habe, will ich nachgeben und es dem frommen Priester überlassen, der daherkommt; was er uns sagt, das soll entscheidend sein." Damit war auch der Bauer zufrieden.
Als der Pfaffe nähergekommen war, sprach Eulenspiegel: "Herr, sagt recht, welche Farbe hat dieses Tuch?" Der Pfaffe sprach: "Freund, das seht Ihr wohl selber." Der Bauer sprach: "Ja, Herr, das ist wahr. Aber die beiden wollen mir etwas einreden, von dem ich weiß, daß es gelogen ist." Der Pfaffe sagte: "Was habe ich mit euerm Hader zu schaffen? Was frage ich danach, ob es schwarz oder weiß ist?" "Ach, lieber Herr", sagte der Bauer, "entscheidet zwischen uns, ich bitte Euch darum." "Wenn Ihr es haben wollt," sprach der Pfaffe, "so kann ich nichts anderes erkennen, als daß das Tuch blau ist." "Hörst du das wohl?" sagte Eulenspiegel, "das Tuch ist mein." Der Bauer sprach: "Fürwahr, Herr, wenn Ihr nicht ein geweihter Priester wärt, so meinte ich, daß Ihr lügt und daß Ihr alle drei Schälke seid. Aber da Ihr Priester seid, muß ich Euch das glauben." Und er überließ Eulenspiegel und seinen Gesellen das Tuch, mit dem sie sich für den Winter einkleideten. Der Bauer mußte in seinem zerrissenen Rock davongehen.